Jun.-Prof. Dr. Luise Göbel: StimuCrete

Beton ist schon lange viel mehr als ein unscheinbarer grauer Stein. Aus dem ursprünglichen Drei-Stoff-System, bestehend aus Zement, Kies und Wasser, ist ein Hochleistungswerkstoff mit hervorragenden Eigenschaften in Bezug auf die Tragfähigkeit, Lebensdauer und Widerstandsfähigkeit geworden. Um neuesten Entwicklungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit und Gestaltungsfreiheit noch besser gerecht werden zu können, soll der Baustoff durch das Projekt StimuCrete mit innovativen Eigenschaften versehen werden.

Beton ist der bedeutendste Baustoff des 21. Jahrhunderts. Seine Eigenschaften werden durch die Auswahl der Komponenten, die Rezeptur und den Mischprozess weitgehend festgelegt. Jedoch können Änderungen der Umgebungsbedingungen oder der Rohstoffeigenschaften die geplanten Eigenschaften des Materials unbeabsichtigt verändern und zu Beeinträchtigungen der Lebensdauer von Betonbauwerken führen. Möglichkeiten der aktiven Einflussnahme auf das Verhalten des Materials nach der Herstellung gibt es nur in sehr begrenztem Maße. Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung automatisierter Produktionsverfahren sowie steigenden Erwartungen an die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit von Ingenieurbauwerken steigen jedoch die technologischen Anforderungen an den Massenbaustoff Beton. Um diesen neuartigen Bedürfnissen gerecht zu werden, sind zukunftsweisende Konzepte für die Entwicklung neuer Generationen von Betonen erforderlich.

Intelligenter Beton mit Selbstheilungskräften

Das Projekt StimuCrete setzt sich vor diesem Hintergrund zum Ziel, neuartige Zusatzstoffe (Additive) für Beton zu erforschen. Diese sollen mittels einer äußeren oder inneren Anregung (Stimulus) aktiviert werden und dem Material ein intelligentes Verhalten ermöglichen. Dadurch können ausgewählte Eigenschaften des Betons nach dem Herstellungsprozess aktiv beeinflusst werden.

Im Projekt werden zwei Schwerpunkte adressiert. Zunächst soll das Verhalten des frischen Betons aktiv gesteuert werden können, sodass beispielsweise ein Erstarren auf Knopfdruck realisiert wird. Dies ist insbesondere für automatisierte Fertigungsverfahren, darunter den sogenannten 3D-Beton-Druck, von Bedeutung. Gelingen soll dieses intelligente Materialverhalten durch die Entwicklung von Additiven, die sich infolge einer elektromagnetischen Anregung verändern und dadurch Einfluss auf die Frischbetoneigenschaften nehmen.

Zudem sucht das Projekt StimuCrete neue Wege, um die Langlebigkeit von Betonbauwerken zu verbessern. Es sollen Selbstheilungskräfte in den Beton eingebracht werden. Hierfür werden neuartige Kapseln entwickelt, die sich unter dem Einfluss von eindringenden Ionen mit Schädigungspotential öffnen. Dadurch wird eine Selbstheilung von Mikrorissen im Material stimuliert. Das Einbringen dieser autonomen Reparaturkräfte stellt ein bedeutendes Werkzeug für langlebige Baustrukturen und die zukünftige Einsparung von Ressourcen dar und reduziert den manuellen Reparaturaufwand.

Nachwuchsgruppenleiterin Jun.-Prof. Dr. Luise Göbel

Luise Göbel absolvierte den Studiengang Baustoffingenieurwissenschaft an der Bauhaus-Universität Weimar. Nach dem Abschluss (Master of Science) promovierte sie erfolgreich im Rahmen des DFG-geförderten Graduiertenkollegs 1462 („Modellqualitäten“) an der Bauhaus-Universität Weimar. Im Rahmen dieser Tätigkeit forschte sie auch mehrere Monate an der Technischen Universität Wien. Als Postdoktorandin und Forschungskoordinatorin an der Materialforschungs- und -prüfanstalt Weimar widmete sie sich verstärkt Themen in den Bereichen nachhaltiges Bauen und innovative experimentelle Methoden zur Charakterisierung von Baustoffen. 2019 forschte sie ebenfalls als Postdoktorandin in Kooperation mit der Université libre de Bruxelles zu zementfreien Betonen. Zum 01.04.2023 nahm sie einen Ruf als Juniorprofessorin (W1 mit Tenure Track) auf dem Gebiet „Werkstoffmechanik“ an. Ab dem 01.01.2024 leitet sie die „NanoMatFutur“-Nachwuchsgruppe zum Projekt „StimuCrete“.