Rennstrecke für Wirkstoffmoleküle

Biotherapeutika wie Antikörper heften sich hochspezifisch an bestimmte Krankheitserreger und bekämpfen diese sehr wirksam. Die Herstellung der komplexen Biomoleküle ist aber aufwändig und teuer. Ein neues Verfahren ermöglicht eine schnelle Prüfung der Wirkstoffe und hilft, Kosten bei der Produktion zu senken.

In einer Zelle herrscht auf den ersten Blick ein Durcheinander von mehr als 10.000 unterschiedlichen Molekülen. Trotzdem laufen die chemischen Reaktionen in der Zelle sehr geordnet ab. Dies funktioniert nur, weil die Moleküle definierte Bindungen ganz spezifisch nur mit wenigen anderen Molekülen eingehen. So funktionieren auch viele Arzneimittel: Wird für eine Therapie ein Therapeutikum entwickelt, soll das Wirkstoff-Molekül im Idealfall ausschließlich an die betreffenden Zielmoleküle binden. Durch eine hochspezifische und starke Bindung des Wirkstoffs können sowohl die Nebenwirkungen als auch die Dosierung des Wirkstoffs reduziert und somit der Therapie-Erfolg erhöht werden. Für die Krankheitsbekämpfung sind Biotherapeutika wie Antikörper besonders erfolgsversprechend. Da es sich bei diesen Wirkstoff-Molekülen aber um sehr komplexe Gebilde handelt ist die Überwachung ihrer Produktion sehr aufwändig und schwierig. Das ist einer der Gründe warum diese Biotherapeutika so teuer sind.

Neue Messmethode macht hochwirksame Biotherapeutika für Medikamente erschwinglicher

Im Projekt MSTOnline haben sich die Firmen NanoTemper, ibidi und das NMI in einem Forschungskonsortium zusammengeschlossen, um eine neue Messmethode für die Produktion von Biotherapeutika zu entwickeln. Das sogenannte „Microscale Thermophoresis“-Verfahren nutzt das physikalische Phänomen, dass komplexe Biomoleküle sich unterschiedlich schnell entlang eines sehr kleinen Temperaturgefälles bewegen. Um mit der Methode die Eigenschaften von potenziellen Biowirkstoffen bestimmen zu können, werden diese in eine Kapillare mit einer Lösung des Zielmoleküls dosiert. Die Lösung wird anschließend mit einem Laser minimal erhitzt, so dass die Biomoleküle sich durch diesen mikroskopischen Temperaturunterschied wie auf einer Rennstrecke bewegen. Findet eine Bindung an einen passenden Wirkstoff statt, so ändert sich die Geschwindigkeit der Moleküle. Aus den Messsignalen lässt sich präzise ableiten, an welchen Stellen das Zielmolekül gebunden ist. Im Projekt wurden hierfür geeignete sichere Kartuschen entwickelt, mit denen einerseits eine einfache und zuverlässige optische Messung ermöglicht und andererseits Kontaminationen verhindert werden.

Projektergebnisse bis zur Marktreife weiterentwickelt

Das Ziel eine neue Messmethode für die Überwachung der Produktion von Biotherapeutika zu erforschen konnte erreicht werden. Besonders bemerkenswert ist, dass im Projekt eine zusätzliche optische Messmethode, die sog. „Tryptophanshift Optik“ entdeckt wurde. Diese Messmethode ergänzt die MicroScale Thermophoresis Messmethode in der Anwendung sehr gut: Mit der MicroScale Thermophoresis Methode können Bindungen und damit die Funktionalität der Biotherapeutika gemessen werden. Mit der Tryptophanshift Methode kann die 3D-Struktur der Biotherapeutika überprüft werden. In Kombination liefern beide Methoden einen Mehrwert für den Anwender. Die Messmethoden werden seit 2019 bereits in den Geräten der Firma NanoTemper eingesetzt.