Gesellschaftliche Potenziale neuer Materialien

Materialien und Werkstoffe wirken auf viele Menschen unscheinbar. Sie verrichten ihre Dienste in vielen Produkten oftmals unbemerkt. Zur Lösung konkreter technologischer, ökologischer und gesellschaftlicher Probleme sind neue Materialien jedoch unverzichtbar.

Einige beispielhafte Schlaglichter verdeutlichen die gesellschaftliche Bedeutung der Materialforschung:

Sauberes Wasser durch Hightech-Materialien

Für den Menschen, die Natur und die Wirtschaft ist Wasser die wichtigste Ressource. Zwar zählt Wasser zu jenen Ressourcen die sich ständig erneuern und Deutschland zu den wasserreichen Ländern, aber bedingt durch den Klimawandel, das Bevölkerungswachstums und den steigenden Wasserbedarf  durch z. B. Energieerzeugung, Industrie oder Landwirtschaft, wird es künftig zu einer weiteren Beanspruchung der Ressource Wasser kommen. Wasser als facettenreiche Lebensgrundlage für den Menschen ist eine empfindliche Ressource. Schadstoffe in den Gewässern, beispielsweise durch Medikamentenrückstände, Pestizide oder Metalle belasten das Wasser zunehmend und stellen eine Gefahr für das ökologische Gleichgewicht von Gewässern dar. Die Folge können Hormonstörungen bei Lebewesen, Artensterben und Krankheiten sein. Bei der Gewinnung von Wasser, der Aufbereitung, Reinigung und der Verteilung spielen materialorientierte Ansätze eine wichtige Rolle. So werden bei der Abtrennung von Schadstoffen in Filterprozessen moderne Werkstoffe verwendet und sogenannte Adsorptionsmaterialien sowie effiziente Katalysatoren ermöglichen die Neutralisierung von kritischen Stoffen im Trinkwasser für Mensch und Tier. Nur durch innovative Technologien mit neuen Materialien ist es möglich, die vorhandenen Wasserressourcen nachhaltig zu nutzen und gleichzeitig die Gesundheit von Mensch und Umwelt zu schützen.

Materialien für Energiespeicher

Die Energiewende erfordert die Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien wie Wasser-, Wind- und Solarenergie. Diese sind naturgemäß stark veränderlich entsprechend der Wetter- und Klimaverhältnisse. Energiespeicher können diese Schwankungen auffangen und stellen den gespeicherten Strom jederzeit dort zur Verfügung wo er benötigt wird. Diese Speicher erfordern eine große Kapazität und müssen den Strom schnell und sicher wieder ins Netz einspeisen können. Um effiziente Stromspeicherbatterien zu fertigen und über eine lange Nutzungszeit sicher betreiben zu können, müssen die zahlreichen Komponenten einer Batterie genau aufeinander abgestimmt sein. Erst durch spezielle, auf den jeweiligen Bedarf optimierte Materialien zur elektrochemischen Speicherung, gelingt die Herstellung intelligenter Stromspeichersysteme. Strom ist die technische Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität. Eine intelligente Kopplung von regenerativer Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Verbrauch, ermöglicht es Stromnetze stabil und bedarfsgerecht zu betreiben. Diese intelligente Nutzung von Strom und der Einsatz  moderner Batterietechnologien, ist auch Voraussetzung um künftig elektrisches Fahren für den Massenmarkt mit deutlich höheren Reichweiten von Elektrofahrzeugen, bei gleichzeitiger Langlebigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Dies kann nur durch die konsequente Erforschung von Materialtechnologien bei der Zellchemie und -struktur gelingen, um Batterien und Ladeinfrastrukturen als Schlüsselkomponenten der Elektromobilität weiterzuentwickeln.

Hygiene durch innovative Materialien

Hygiene und Gesundheit sind eine zentrale Herausforderung im 21. Jahrhundert, denn die Globalisierung und die zunehmende Mobilität der Menschen begünstigen die Verbreitung von neuartigen Krankheitserregern. Zudem steigt auch die Anzahl der Infektionen mit multiresistenten Keimen in Krankenhäusern stetig an. In vielen Bereichen des täglichen Lebens, wie z. B. in Supermärkten, im öffentlichen Nahverkehr sowie an Bahnhöfen und Flughäfen sind Krankheitserreger und Allergene allgegenwertig und trotz der hohen Hygienestandards in Deutschland schreitet die Ausbreitung dieser Keime und Krankheitserregern weiter voran. Industrieanlagen und andere Infrastrukturen können durch den Befall von Mikroorganismen oder Algen beschädigt werden und sogar ausfallen, wodurch hohe Kosten für die regelmäßigen und notwendigen Reinigungs- und Wartungsarbeiten entstehen. In speziellen Produktionsprozessen oder Bereichen wie z. B. der Lebensmittelindustrie werden besonders hohe Anforderungen an die Hygiene gestellt. Um diese Herausforderungen zu meistern werden neue materialspezifische Konzepte für mehr Hygiene benötigt. Neuartige Filtermaterialien und antibakteriell wirkende Oberflächen schützen den Menschen und die Umwelt. So tragen innovative Werkstoffe erheblich zur Prävention vor gesundheitlichen Risiken und zur Steigerung der Lebensqualität bei.

Zukunftshäuser – intelligent, komfortabel, bezahlbar

Der überwiegende Teil der vorhandenen Bausubstanz in Deutschland stammt aus der Zeit von vor der ersten Wärmeschutzverordnung aus dem Jahr 1977. Diese Gebäude weisen ein hohes Einsparungspotenzial durch eine effiziente Wärmedämmung auf. Erst mit neuen Werkstoffen und einer Vielzahl von Materialien zur Wärmedämmung kann eine klimaneutrale Stadt entstehen.
Zukünftiges Wohnen wird durch funktionelle und energieeffiziente Gebäude bestimmt sein. Im Mittelpunkt stehen dabei neue, dem Klimawandel angepasste Baumaterialien, die, angefangen mit der Wärmedämmung und -isolierung, über die Verbesserung der Luft- und Wohnqualität bis hin zur Nutzung erneuerbarer Energien, multifunktional sind. Baumaterialien müssen schon heute viele unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Gefordert sind Werkstoffe mit z.B. schaltbarer Wärmedämmung und Verglasung oder schallschluckenden Oberflächen. Ultrafeste Betone und neue Bindemittel müssen hohe Stabilitäts- und Festigkeitsanforderungen erfüllen, sollen aber gleichzeitig voll recyclingfähig sein.  Neue Baumaterialien müssen zudem ressourceneffizient hergestellt und über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes intelligent genutzt und wiederverwendet werden können.

Materialien für den 3D-Druck

Heutige Fertigungsverfahren weisen einen hohen Ressourcenbedarf auf. So fallen bei materialabtragenden Verfahren wie dem Drehen oder Fräsen, bis zu 90% der Ausgangsmaterialien als Produktionsabfälle an. Zusätzlich werden diese Abfälle während der Fertigungsprozesse mit Sekundärstoffen wie z. B. Schmiermitteln verunreinigt, wodurch die Wiederverwertung gerade bei teuren Ausgangsmaterialien mit hohen Kosten verbunden ist. Mit aktuellen Verfahren lassen sich nur vergleichsweise einfache Bauteile kostengünstig produzieren, die dann zu komplexeren Strukturen zusammengefügt werden. Durch diese aufwändige Endmontage werden diese Produkt häufig nur bei hohen Stückzahlen rentabel. Generative Fertigungsverfahren oder auch additive Fertigung wie der 3D-Druck oder das Lasersintern, bauen Fertigungsteile direkt aus formlosen Materialien wie Flüssigkeiten oder Pulver auf. Auf diese Weise wird die Materialeffizienz erhöht und  Abfälle durch Verschnitt vermieden. Diese ressourcenschonenden Verfahren erlauben die Fertigung von Bauteilen mit variablen Materialeigenschaften oder der Herstellung von Produkten aus verschiedenen Werkstoffen. Mit generativen Verfahren können komplexe Produkte mit integrierten Funktionen schon in geringen Stückzahlen kostengünstig produziert werden. Vor allem bei Leichtbauteilen und Medizinprodukten kann das Werkstoffpotenzial effektiv genutzt werden.

Neue Werkstoffe aus der virtuellen Welt

Die besonderen Eigenschaften eines Werkstoffes werden durch seine atomaren und molekularen Strukturen bestimmt. Mit Hilfe kombinierter Simulationsverfahren am Computer können neue Werkstoffe schon auf atomarer Ebene entworfen werden. Mit sogenannten Multiskalensimulationen können Bauteile von der atomaren bis zur makroskopischen Ebene vollständig entwickelt, optimiert und virtuell getestet werden. Hierbei helfen komplexe mathematische Gleichungen, die genaue Kenntnis atomarer Bindungen sowie passende Werkstoffmodelle, um Simulationsexperten und Werkstoffentwickler interdisziplinär miteinander zu vernetzen und Bauteile vollständig am Computer zu entwickeln. Besonders interessant sind neue Werkstoffe mit extremen Eigenschaften, wie hohe Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit oder einer außergewöhnlicher Temperaturbelastbarkeit, um beispielsweise Superlegierungen für die Energietechnik zu verbessern oder Hybridmaterialien für den Leichtbau zu entwickeln. Die vollständige Simulation von Materialien und deren Eigenschaften am Computer, kann die bis dato jahrelange, aufwändige Entwicklungsarbeit im Labor verkürzen, Entwicklungskosten senken und helfen neue Materialien aufzuspüren.